Sontags haben die Kinder frei. Sie spielen,
toben und rennen über den Campus und alle Freiwillien gerne mit. Jedem Sonntag
wird aufgeregt entgegengeblickt, da es die Möglichkeit ist der Eltern, Freunde
und Verwandten die Kinder zu besuchen. So sieht man am Ende der Woche viele
strahlende Kinderaugen in den Armen ihrer Familien.
Manjula, ist die Mutter von Shivananda, einem
10 Jährigen Jungen aus meinem Hostel. Über die letzten Monate bin ich ihr Sontags
mehrmals begegnet. Im Sari, mit Bangles (traditionelle Glas-Armreifen) und
einem Bindi auf der Stirn sitzt sie erwartungsvoll mit einer Tasche voller Obst,
Süßigkeiten und selbst gekochten Mittagessen auf dem Schulhof und wartet auf
ihren Sohn.
Seit dem mich Shivananda ihr das erste Mal
vorgestellt habe setze ich mich Sontags gerne zu ihr. Sie ist eine ruhige
Persönlichkeit mit einem herzerwärmenden Lachen. Während wir uns versuchen über
Dies und Das auszutauschen übersetzt Shivananda fleißig. Denn ich spreche
genausowenig Kannada oder Hindi wie sie Englisch. Bemalte Hanna Arme und Hände
sind in Indien sehr beliebt. So habe ich ihr gerne das eine und andere Mandala
gemalt, während sie mich stehst ihre selbstgemachten Gepäcke hat probieren
lassen.
Meine Freude war groß, als sie mich vor ein
paar Wochen dann zu ihr nach Hause eingeladen hat. Letzten Sonntag war es dann
soweit. Mit drei verschiedenen Busen sind Shivanada, Manjula und ich
schließlich in ihrem Heimatdorf angekommen. Während wir durch die Straßen zu
ihrem Haus gelaufen sind haben uns neugierige Blicke der Nachbarn begleitet.
„Hallo!
What is your name? Where are you from? How are you?” tönt
es mir aus allen Ecken entgegen. Die Dorfbewohner sind neugierig mich
kennenzulernen.
Bei Shivananda zuhause angekommen (Einem
einfachen ein Zimmer - Lehmhaus, ohne Fenster um es kühl zu halten, mit Küche
und Waschberich) wird die schöne Sonntagskleidung erst einmal abgelegt und alle
schlüpfen in angenehme Klamotten. Auch ich werde in einen „Nighty“ gesteckt,
ein weitverbreitetes langes einfaches Baumwollkleid, das Frauen zuhause tragen.
Während des nächsten Tag tauche ich in die Welt einer indischen Hausfrau ein.
Zunächst wird mir stolz das Haus vorgeführt.
Anschließend gibt es selbstgemachten Girmit (Puffreis mit einer Masala-Mischung
und Zwiebeln) und natürlich auch einen süßen Chai.
Es dauert nicht lange da schneien die ersten
Nachbarn bei Shivananda ein. Es wird viel auf Kanada geredet. Ich erkläre woher
ich komme, was ich in Indien mache und woher ich Shivananda kenne. Aufgeregt
werden hinterher noch ein paar Fotos gemacht. Alle freuen sich über die Bangles
an meinen Handgelenken, dem Bindi auf meiner Stirn und über die traditionelle
Kleidung.
Es passiert nicht oft, dass die Dorfbewohner
europäische Leute in indischer Kleidung sehen. Doch da in meinem Projekt die
kulturelle Anpassung sehr wichtig ist und mir auch sehr viel Spaß macht, ist es
für mich schon normal geworden mich seit einem Jahr so zu kleiden. Wenn auch
noch meine Mitmenschen Freude daran haben macht mich das umso glücklicher.
Nach dieser Begegnung stehen noch ein paar
weitere Hausbesuche an, ein Tempelrundgang im Dorf wobei ich immer wieder
netten Leuten begegne. Schließlich wurde ich noch bei einem Nachbar zum Dosa Essen
eingeaden (einem sehr leckeren Snack). Das Haus welches ich somit besuchen
durfte war sehr beeindruckend. Zweihundert Jahre alte verzierte
Holzvertäfelungen haben die Wände und Türen geschmückt. Da die Familie auch gut
Englisch sprechen konnte hatte wir ein angenehmes Gespräch bei einer Tasse
Kaffe.
Nach einer Weile sind Shivananda und ich dann wieder zurück nach Hause zu
Manjula.
Ich hatte Manjula gegenüber den Wunsch
geäußert wie sehr es mich freuen würde indisch kochen zu lernen. Normalerweise
habe ich bei Familienbesuchern erfahren, dass Gäste keine Arbeit im Haus
nachgehen sollten, dementsprechend warten und freundlich vom Gastgeber bedient werden.
Mit Manjula jedoch hatte ich die Möglichkeit
abends gemeinsam mit ihr Chapati (feines, flaches Brot) zu machen, welches man
gemeinsam mit Gemüse, Reis oder auch einem Mangoquark ist.
Am nächsten Morgen habe ich auch gelernt Poori
(in Deutschland oft Batura genannt, frittiertes aufgeblasenes Brot)
zuzubereiten. Nach dem Frühstück wird Wasser zum Duschen über der Feuerstelle
erhitzt und falls man die Toilette aufsuchen möchte geht man ein paar
Grundstücke weiter zum allgemeinen Toilettenhaus. Einer einfachen Betonhütte
mitten im Nirgendwo.
Nach einem morgendlichen Spaziergang mit
Shivananda, gehen Manjula und ich noch auf den Markt. Denn Manjula erklärt mir,
dass es Tradition sei, wenn ich beispielsweise zum ersten Mal ihr Haus besuche
vom Gastgeber ein Kleidungsstück geschenkt zu bekommen. Es sei eine Geste der
gegenseitigen Freundschaft. So waren wir dabei einen Sari für mich zu finden
und passende Bangles dazu. Nachdem mir Manjula beim Anziehen des Saris geholfen
hat (ganz alleine schaffe ich es immer noch nicht, soll sich demnächst ändern)
müssen Shivananda und ich auch bald wieder zurück zur Schule aufbrechen. Der
Unterricht und die Arbeit ruft. Am Busbahnhof werden noch ein paar Kindertränen
verdrückt als Shivananda sich von seiner Mutter verabschieden musste.
Auf dem Weg zurück lass ich die zwei schönen
Tage Revue passieren und bin dankbar eine solche kulturell, bereichernde Erfahrung
gemacht haben zu können.
Viele Liebe Grüße zurück aus Kalkeri,
Eure Lisa
Eure Lisa