Mittwoch, 8. Juni 2016

Manjula & Shivananda



Sontags haben die Kinder frei. Sie spielen, toben und rennen über den Campus und alle Freiwillien gerne mit. Jedem Sonntag wird aufgeregt entgegengeblickt, da es die Möglichkeit ist der Eltern, Freunde und Verwandten die Kinder zu besuchen. So sieht man am Ende der Woche viele strahlende Kinderaugen in den Armen ihrer Familien. 

Manjula, ist die Mutter von Shivananda, einem 10 Jährigen Jungen aus meinem Hostel. Über die letzten Monate bin ich ihr Sontags mehrmals begegnet. Im Sari, mit Bangles (traditionelle Glas-Armreifen) und einem Bindi auf der Stirn sitzt sie erwartungsvoll mit einer Tasche voller Obst, Süßigkeiten und selbst gekochten Mittagessen auf dem Schulhof und wartet auf ihren Sohn. 

Seit dem mich Shivananda ihr das erste Mal vorgestellt habe setze ich mich Sontags gerne zu ihr. Sie ist eine ruhige Persönlichkeit mit einem herzerwärmenden Lachen. Während wir uns versuchen über Dies und Das auszutauschen übersetzt Shivananda fleißig. Denn ich spreche genausowenig Kannada oder Hindi wie sie Englisch. Bemalte Hanna Arme und Hände sind in Indien sehr beliebt. So habe ich ihr gerne das eine und andere Mandala gemalt, während sie mich stehst ihre selbstgemachten Gepäcke hat probieren lassen.  
Meine Freude war groß, als sie mich vor ein paar Wochen dann zu ihr nach Hause eingeladen hat. Letzten Sonntag war es dann soweit. Mit drei verschiedenen Busen sind Shivanada, Manjula und ich schließlich in ihrem Heimatdorf angekommen. Während wir durch die Straßen zu ihrem Haus gelaufen sind haben uns neugierige Blicke der Nachbarn begleitet. 

„Hallo! What is your name? Where are you from? How are you?” tönt es mir aus allen Ecken entgegen. Die Dorfbewohner sind neugierig mich kennenzulernen.

Bei Shivananda zuhause angekommen (Einem einfachen ein Zimmer - Lehmhaus, ohne Fenster um es kühl zu halten, mit Küche und Waschberich) wird die schöne Sonntagskleidung erst einmal abgelegt und alle schlüpfen in angenehme Klamotten. Auch ich werde in einen „Nighty“ gesteckt, ein weitverbreitetes langes einfaches Baumwollkleid, das Frauen zuhause tragen. Während des nächsten Tag tauche ich in die Welt einer indischen Hausfrau ein.

Zunächst wird mir stolz das Haus vorgeführt. Anschließend gibt es selbstgemachten Girmit (Puffreis mit einer Masala-Mischung und Zwiebeln) und natürlich auch einen süßen Chai. 

Es dauert nicht lange da schneien die ersten Nachbarn bei Shivananda ein. Es wird viel auf Kanada geredet. Ich erkläre woher ich komme, was ich in Indien mache und woher ich Shivananda kenne. Aufgeregt werden hinterher noch ein paar Fotos gemacht. Alle freuen sich über die Bangles an meinen Handgelenken, dem Bindi auf meiner Stirn und über die traditionelle Kleidung. 

Es passiert nicht oft, dass die Dorfbewohner europäische Leute in indischer Kleidung sehen. Doch da in meinem Projekt die kulturelle Anpassung sehr wichtig ist und mir auch sehr viel Spaß macht, ist es für mich schon normal geworden mich seit einem Jahr so zu kleiden. Wenn auch noch meine Mitmenschen Freude daran haben macht mich das umso glücklicher.

Nach dieser Begegnung stehen noch ein paar weitere Hausbesuche an, ein Tempelrundgang im Dorf wobei ich immer wieder netten Leuten begegne. Schließlich wurde ich noch bei einem Nachbar zum Dosa Essen eingeaden (einem sehr leckeren Snack). Das Haus welches ich somit besuchen durfte war sehr beeindruckend. Zweihundert Jahre alte verzierte Holzvertäfelungen haben die Wände und Türen geschmückt. Da die Familie auch gut Englisch sprechen konnte hatte wir ein angenehmes Gespräch bei einer Tasse Kaffe.

Nach einer Weile sind Shivananda  und ich dann wieder zurück nach Hause zu Manjula.
Ich hatte Manjula gegenüber den Wunsch geäußert wie sehr es mich freuen würde indisch kochen zu lernen. Normalerweise habe ich bei Familienbesuchern erfahren, dass Gäste keine Arbeit im Haus nachgehen sollten, dementsprechend warten und freundlich vom Gastgeber bedient werden. 

Mit Manjula jedoch hatte ich die Möglichkeit abends gemeinsam mit ihr Chapati (feines, flaches Brot) zu machen, welches man gemeinsam mit Gemüse, Reis oder auch einem Mangoquark ist.
Am nächsten Morgen habe ich auch gelernt Poori (in Deutschland oft Batura genannt, frittiertes aufgeblasenes Brot) zuzubereiten. Nach dem Frühstück wird Wasser zum Duschen über der Feuerstelle erhitzt und falls man die Toilette aufsuchen möchte geht man ein paar Grundstücke weiter zum allgemeinen Toilettenhaus. Einer einfachen Betonhütte mitten im Nirgendwo. 

Nach einem morgendlichen Spaziergang mit Shivananda, gehen Manjula und ich noch auf den Markt. Denn Manjula erklärt mir, dass es Tradition sei, wenn ich beispielsweise zum ersten Mal ihr Haus besuche vom Gastgeber ein Kleidungsstück geschenkt zu bekommen. Es sei eine Geste der gegenseitigen Freundschaft. So waren wir dabei einen Sari für mich zu finden und passende Bangles dazu. Nachdem mir Manjula beim Anziehen des Saris geholfen hat (ganz alleine schaffe ich es immer noch nicht, soll sich demnächst ändern) müssen Shivananda und ich auch bald wieder zurück zur Schule aufbrechen. Der Unterricht und die Arbeit ruft. Am Busbahnhof werden noch ein paar Kindertränen verdrückt als Shivananda sich von seiner Mutter verabschieden musste.

Auf dem Weg zurück lass ich die zwei schönen Tage Revue passieren und bin dankbar eine solche kulturell, bereichernde Erfahrung gemacht haben zu können.

Viele Liebe Grüße zurück aus Kalkeri,
Eure Lisa