Die
Ferien haben grade erst aufgehört, doch das Semester ist gefühlt schon fast zu
Ende…die Zeit fliegt!
Es ist viel passiert, soviel, dass ich nicht die Zeit zum
Schreiben gefunden habe. Umso ausführlicher möchte ich heute sein.
Nachdem
dem überrumpelnden Schulanfang standen zunaechst Aufgaben an wie:
- die Elementary Class neustruktorieren (Mein Konzept konnte sich auf Dauer leider nicht durchsetzen, da die geeigneten Lehrer ausgefallen sind. Zurzeit improvisieren wir wöchentlich um den Unterricht beizubehaltenn.),
- die
Ankunft 15 neuer Freiwilligen,
-
einen Jobwechsel,
- Jagriti Yatra war bei uns im Projekt zu Besuch (http://www.jagritiyatra.com/),
-
Weihnachten & Silvester,
- den
Besuch einer kanadischen Austauschklasse ( Die Klasse, der Tochter der Gründer der Schule ist zu Besuch gekommen.)
-
und den Dreh einer Dokumentation über das Projekt.
Als das alles geschaft war, hatte ich das
große Glück, dass im Projekt übriggebliebene Zugtickets verlost wurden und ich
mir spontan mit fünf weiteren Freunden ein paar Tage Auszeit in Hampi nehmen
konnte.
Nächste
Woche geht es dann auch schon auf zum „Middle Camp“. Ich bin gespannt alle ICJA
Gesichter nach einem halben Jahr wieder zu sehen und ihre Geschichten zu hören.
Für
mich hat sich seit Oktober viel verändert. Denn vor den Ferien habe ich noch
als Lehrerin gearbeitet. Das hat mir sehr viel Zeit und Kraft geraubt und mir
auch nicht unbedingt so viel Spaß gemacht wie ich zu Anfang gedacht hatte.
Dennoch habe ich die Kinder in meinen Klassen sehr liebgewonnen und somit
angefangen mehr Zeit Nachmittags und Abends in ihren Hostels zu verbringen,
besonders gerne im Medium Boys Hostel (3-5 Klasse). Von Zeit zu Zeit habe ich
mehr Gefallen daran gefunden als Betreuerin, anstatt als Lehrerin zu arbeiten.
Mit der Ankunft der neuern Freiwilligen war es mir dann auch möglich
Aufgabenbereich zu wechseln. Seit Oktober gehe ich daher voll und ganz in
Medium Boys Hostel als Betreuerin auf.
Um
euch meine Leben und meine Arbeit hier bestmöglich zu vermitteln, dachte ich
teile ich einen Tag mit euch, so wie ich ihn hier in Kalkeri lebe. Viel Spaß
beim lesen!
Der
Hahn kräht, Kindergesang und Trommelrhythmen wecken mich auf. Es ist dunkel,
die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Später, wenn ich mich auf den Weg zu
meinem Hostel mache wird es schon halbwegs hell sein. Während ich mich den
Hügel runterschlängle, vorbei an einigen Klassenzimmern, wickel ich mir einen
Schal um und ziehe meinen Pulli zurecht, denn es kann ziemlich kühl sein am
Morgen.
Von klassischer hindustanischer Musik begleitet erreiche ich das Medium
Boys Hostel, in dem ich friedlich schlafende Jungen von der 3-5 Klasse
vorfinde. Der eine oder andre mag vielleicht schon wach sein und mir ein
verschlafenes „Guten Morgen“ zu murmeln. Die fünftKlässler sind schon seit
einer Stunde auf den Beinen und üben ihre Instrumente während der alltäglichen
„Musical Practice“. Ich schlängle mich durch die schlafenden Kinderreihen und
versuche die Morgenmuffel aufzuwecken.
Eine Halbestunde haben die 35 Jungs um
aufzuwachen, Zähne zu putzen, zu duschen und ihre Haare mit Kokkusnussöl in die
gewünschte Form zu bringen, denn dann geht es auf zum „ Campus cleaning“ der
Schule.
Mit
Sicherheit wird Viru als erster aufspringen, seine Chetai und Decke
zusammenlegen und mich um Seife bitten, um so als erster duschen zu können. Auch Malikrian hätte gerne die Seife als
erster, jedoch ist er nicht schnell genug, sondern sitzt noch auf seiner Chetai
und reibt sich müde die Augen.
Langsam
kommt Bewegung ins Hostel, das Licht wird angemacht und Kinderstimmen füllen
den Raum. Nun heißt es alle Kinder zum Duschen und Zähneputzen bewegen,
abgesehen von Viru kann das an bei einigen Kindern ziemlich schwer sein. Denn
wie gesagt, die Morgenstunden si d kühl und eine kalte Dusche, draußen ist
nicht unbedingt gemütlich kurz nach dem Aufwachen. Gerne versteckt sich dann
einige wie, Mahamad, Vital, Majur und Vinay unter ihren Decken. So kommen sie
nicht drum rum manchmal schön wachgekitzelt zu werden.
Der
eine oder andere Streit kann auch schon vor dem Frühstück entstehen, dann
fließen Tränen und Schimpfwörter wie Wasserfälle in einer Sprache, die ich
nicht verstehe. Oft begegnen einem bei der Arbeit mit den Kindern Probleme mit
der Disziplin und Aufmerksamkeit Erwachsenen und Mitschülern gegenüber. Keine
körperliche Gewalt anzuwenden, die Fähigkeit in Ruhe zuzuhören und Rücksicht zu
nehmen ist für einige Kinder schwer. Gemeinsam mit den indischen Betreuern
versuche ich dann den Überblick zu behalten. Die Schule möchte den Kindern neue
Werte nahelegen. Das erweist sich nicht immer als so leicht, da die meisten
Schüler ein anderes Verhaltensmuster aus ihren Familien gewöhnt sind. Sie
stammen größtenteils aus unterprivilegierten und sozialbenachteiligten Familien
und sind eine härtere Erziehung gewöhnt. Die Freiwilligen teilen ihre Zeit ,
Liebe und Geduld um den Kindern einen anderen Weg zu zeigen. Während dieses
Lernprozesses kann es passieren dass einige Kinder die Großzügigkeit und
Freiheit, die sie in der Schule (anders als zuhause) genießen zu ihrem Vorteil
ausnutzen um tun und lassen zu können was sie wollen. Das kann manchmal
ziemlich frustriesend sein. Jedoch fällt auf, das überwiegend die jüngeren in
der Hinsicht Probleme schaffen (Smal& Medium), die Größeren (Big & Senior)
wiederum scheinen die Idee einer friedlichen Schule verstanden zu haben.
Ja
die Konflikte beginnen schon mit dem Aufwachen und ziehen sich durch den Tag.
So schnell wie ein Streit anfängt hört er aber auch wieder auf. So sind dennoch
alle Freunde im Hostel. Es wird niemand ausgeschlossen, man hält zusammen.
Wirklich jeder ist fähig, das wenige was er hat zu teilen.
Nach
dem die Kinder Schulfertig sind geht es auf zum Frühstück. Mitgebrachte Snacks
der Eltern werden dann unter den Freunden aufgeteilt und oft wird mir nicht nur
etwas angeboten sondern einfach direkt in den Mund geschoben, ohne wenn und
aber.
Die
Yogshala (Main Hall) ist gut gefüllt, morgens essen Small, Medium, Big und
Senior Schüler gemeinsam. Gespräche füllen die Luft während jeder seinen Reis
ist. Meine Medium Boys sind jetzt beschäftigt, also kann ich mir die Zeit
nehmen zum Frühstück mit den anderen Freiwilligen vor der Küche Platz zu nehmen
und gemeinsam in den Tag zu Starten.
Nachdem
alle Bäuche voll und alle Teller sauber geputzt sind finden sich Schüler und
Lehrer zur täglichen Schulversammlung zusammen. Die Nationalhymne erklingt und
die ganze Schule steht still für eine Minute.
Anschließend
geht der Musikunterricht los. Heißt, ich kann mich für ein paar Stunden
ausruhen, wenn ich nicht grade eine „Elementary Class“ oder einen Lunch
Platecheck habe. Gerne mache ich dann einen Spaziergang nach Kalkeri, gehe
einen Chai trinken, verbringe Zeit im Freiwilligenhaus oder genieße das angenehme Wetter in der Hängematte mit
einem guten Buch. Oft fallen aber auch Meetings, Elementary Class Master Aufgaben und
allgemeine Hilfeleistungen in die Freizeit. Diese Tage sehen dann etwas
ansträngender aus, weil man keine Pause findet.
Wenn
die Schulglocke zum letzten Mal am Tag klingelt und die ruhige Lernatmosphäre
von fröhlichen Kinderstimmen unterbrochen wird, treffe ich meine medium Boys im
Hostel wieder. Das Lehmhaus liegt an gehöht auf
der Jungsseite des Campus. Ein kleiner Garten schmückt die Vorderseite des
Hostels. Den Jungs macht es Spaß sich um die Pflanzen zu kümmern.
Es
ist Zeit, das Nachmittagsobst auszugeben. Ähnlich wie beim Platecheck lernt man
hier Geduld zu bewahren und sich von den Kindern nicht überrumpeln zu lassen.
„Look look Lisa!! Can I haveNashta pleaaaasssee?“ tönt es dann aus jedem Mund.
Anschließend wird die Gamebox geöffnet. Wer belommt den Ball, das Caromboard
oder die UNO Karten? Der, der am schnellsten ist. Um den Kindern
Verantwortungsbewusstsein für ihre Spielsachen beizubringen trägt jeder
selbständig seinen Namen und das ausgeliehene Spiel in ein Buch ein und auf
geht`s! Die eine Stunde Freizeit, die den Kindern in ihren durchgetakteten Tag
bliebt geht auch schnell vorüber, denn die Hausaufgaben rufen und alle kehren
zurück ins Hostel. Langsam wird es dunkel und der Campus wird leise. Ich nutze
die Lernzeit um löchrige Kleidung zu nähen, doch der Haufen scheint seit
Monaten nicht kleiner zu werden. Schließlich neigt der Tag sich dem Ende zu und
die Abendessens Glocke läutet. Zum dritten Mal am Tag wird Reis ausgegeben, die
Kinder lieben es. Zu ihrer Belustigung essen die Freiwilligen meistens die
Gemüsebeilage, die sie eher meiden. Aufgedreht vom Tag wird noch etwas vor dem
Zähneputzen rumgetobt. Vor dem Schlafengehen freuen sich alle noch drei Mal
wöchentlich auf einen Film oder Dokumentation, an andern Tagen wird eine
Gutenachtgeschichte erzählt. Zuletzt werden die Chetais ausgerollt und Decken
ausgelegt. Jeder hat seinen festen Platz und schlummert dahin während ich
Gutenachtküsse verteile. Gemeinsam mit den andern drei Betreuern warte ich bis
das Hostel schläft und jedes Mal auf neue fällt mir zu der Zeit auf, wenn alle
Jungs in ihren Decken eingekuschelt auf dem Boden lieben, wie sehr ich jeden
einzelnen in mein Herz geschlossen habe.
Wenn
ich mich auf den Weg zurück ins Freiwilligenhaus mache tönt noch aus einem oder
anderem Klassenzimmer Musik, denn die College Schüler nutzen die nächtliche
Ruhe zum üben. Im Freiwilligenhaus trifft man meisten noch ein paar Mitbewohner
an und kann den Abend schön ausklingen lassen. Wenn ich Glück habe sagt mir auf
dem Weg zu meiner Hütte noch eine Sternschnuppe gute Nacht und ich kann müde
ins Bett fallen.
Viele liebe Gruesse aus Kalkeri,
Eure Lisa